Schon seit einiger Zeit wird davor gewarnt, dass in Deutschland eine Stromlücke entstehen könnte, der Bedarf an Strom also größer ist, als der verfügbare Strom. Die Gründe für diese Stromlücke sind vielfältig, sie hängen aber zu einem großen Teil mit der Energiewende zusammen. Erneuerbare Energien sind noch nicht in der Lage, den Strombedarf ausreichend zu decken, während der Umstieg auf Wärmepumpen und E-Autos zwar in der Theorie weniger Emissionen verspricht, gleichzeitig aber den Bedarf an Strom steigert.
Nun reagiert die Bundesnetzagentur und erlaubt es den Netzbetreibern, im Falle einer drohenden Überlastung des Stromnetzes die Stromzufuhr von privaten Haushalten zu begrenzen. Diese neuen Regelungen treten ab dem 1. Januar in Kraft.
Wer jetzt aber Angst vor Horrorszenarien wie etwa in Südafrika hat, in denen Strom teils gesteuert über Stunden nicht zur Verfügung steht, kann beruhigt sein. Ein Ausfall von Strom für private Haushalte ist nicht vorgesehen, sondern allenfalls eine Drosselung für Wärmepumpen und Ladestationen für E-Autos. Diese Drosselung darf aber nicht so weit gehen, dass etwa eine Mindestleistung für den Betrieb dieser Anlangen nicht mehr gewährleistet ist. Die Bundesnetzagentur schreibt dazu folgendes:
„Die Netzbetreiber dürfen dabei den Bezug für die Dauer der konkreten Überlastung auf bis zu 4,2 kW senken. Damit können Wärmepumpen weiter betrieben und E-Autos in aller Regel in zwei Stunden für 50 Kilometer Strecke nachgeladen werden. Der reguläre Haushaltsstrom ist davon nicht betroffen.“
Es wird also niemand frieren müssen oder mit leerer Autobatterie dastehen müssen. Dennoch sorgt diese Entscheidung nicht unbedingt dafür, dass die Bereitschaft für den Umstieg auf die betroffene Technik steigt. Es ist nicht verwunderlich, wenn der ein oder andere Leser verwirrt ist. Warum werden Unsicherheiten in die Versorgungssicherheit von Lösungen geschürt, welche von der Bundesregierung mit einer Vielzahl an Subventionsprogrammen gefördert werden?
Ein Problem ist die fehlende Geschwindigkeit beim Netzausbau. Die Anforderungen an das deutsche Stromnetz erfordern die größten Umstellungen im Netzbetrieb seit der Vereinheitlichung der Netzspannung. Denn der Strom wird nicht immer dort produziert, wo er gebraucht wird. Gewaltige Offshore-Windparks in der Deutschen Bucht bei Borkum produzieren eine große Menge Strom, allerdings übersteigt der Stromverbrauch des Ruhrpotts oder der süddeutschen Gebiete den Bedarf von Ostfriesland um ein Vielfaches. Damit der Strom dennoch dort ankommt, wo er gebraucht wird, muss das Übertragungsnetz ausgebaut und optimiert werden.
Es besteht aber noch ein weiteres Problem, der Strom steht nicht unbedingt zu den Zeiten zur Verfügung, in denen er gebraucht wird. Wer sich den Stromverbrauch in den Wintermonaten ansieht, stellt fest, dass der Verbrauch in den Wintermonaten höher ist, als in den Sommermonaten. Gleichzeitig ist der Stromertrag von Photovoltaikanlagen im Winter geringer, aufgrund von weniger Sonnenstunden. Aber auch Windräder haben ihre Probleme. Im Sommer, wenn meist mehr Strom zur Verfügung steht, stehen sie häufiger still, da ihr Betrieb zu viel Strom in die Netze einspeisen würde.
Eine Lösung hierfür wären mehr Speicheranlagen, allerdings ist es wesentlich teurer Strom zu speichern als ihn zu erzeugen und es werden deutlich mehr Batteriespeicherwerke benötigt, als derzeit vorhanden sind. Es ist fraglich, ob die notwendigen Neubauten ohne umfassende Subventionen seitens der Regierung möglich sind.
Doch inwiefern hängen diese beiden Probleme mit den Ladestationen und Wärmepumpen zusammen? Sehen wir uns mal folgendes Szenario an, wer kurze Strecken fährt, der profitiert maßgeblich von E-Autos, denn der größte Nachteil der Ladezeit, betrifft ihn nicht. Ergo sind E-Autos gerade in Ballungsräumen und Großstädten interessant, was ein Blick auf Zulassungen auch bestätigt.
Diese Gebiete sind aber wie bereits erwähnt nicht die Orte, an denen die meisten regenerativen Energien Strom erzeugen. Es kommt jetzt aber noch etwas Weiteres dazu. Die meisten E-Autos werden abends und nachts geladen, nämlich genau dann, wenn die Leute nach einem Arbeitstag nach Hause kommen. Wenn jetzt also im Winter zwischen 18 und 19 Uhr mehrere hunderttausend Ladestationen gleichzeitig arbeiten müssen, während der durch Solarenergie zur Verfügung stehende Strom schon deutlich abgenommen hat, dann kann es schnell zu einer Überlastung kommen. Ähnlich verhält es sich mit Wärmepumpen, welche ebenfalls im Winter deutlich häufiger im Betrieb sind, als im Sommer und das auch in mehrheitlich in den Ballungszentren.
Für die Energiewende besteht also folgendes Dilemma, einerseits müssen im Bereich Gebäudewirtschaft und Verkehr große Mengen an Emissionen eingespart werden. Die Mittel der Wahl sind dafür die von der Regierung geförderten E-Autos und Wärmepumpen, welche aber wiederum das Stromnetz insbesondere im Winter überlasten. Die Lösung für dieses Problem ist der Netzausbau, welcher aber schleppend vorangeht und mit dem im größeren Bedarf nicht mithalten kann. Um in der Zwischenzeit aber weiterhin für Netzstabilität zu sorgen, soll es Netzbetreibern also im Notfall erlaubt sein, die Stromzufuhr zu drosseln. Da E-Autos meist eh nachts geladen werden, ist eine Drosselung der Geschwindigkeit verschmerzbar, denn ob das Auto nun 2 oder 4 Stunden braucht, um aufgeladen zu sein, interessiert die Schlafenden meist wenig. Auch die Drosselung von Wärmepumpen ist nicht besonders dramatisch.
Doch der Plan der Bundesnetzagentur hat einen Haken, die technischen Voraussetzung der Leistungsdrosselung ist, dass der Kunde einen intelligenten Stromzähler beziehungsweise eine Schaltanlage installiert hat. Bisher haben aber die wenigsten Kunden einen solchen Zähler installiert. Daher werden Maßnahmen erwogen, Nutzern solcher steuerbaren Geräte Ermäßigungen beim Netzentgelt anzubieten, sodass Verbraucher in Zeiten schwacher Netzauslastung weniger für den Strom bezahlen. Im Gegenzug dürfen die Netzbetreiber den Anschluss eines solchen intelligenten Stromzählers auch nicht mehr verweigern, wie dies in der Vergangenheit der Fall war.
Damit sichergestellt ist, dass solche Eingriffe die Ausnahme bleiben, sind Netzbetreiber verpflichtet, Steuerungseingriffe wie die Drosselung auf einer gemeinsamen Internetplattform zu veröffentlichen. So soll für die Verbraucher eine Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen gesichert sein und gleichzeitig ein möglicher Missbrauch verhindert werden.
Doch unabhängig von diesen Maßnahmen ist die historische Stabilität des deutschen Stromnetzes durch die Energiewende belastet. So sieht die Unternehmensberatung McKinsey die punktuelle Drosselung nur als einen von mehreren Hebeln, um die Energiesicherheit zu gewährleisten. Weitere Maßnahmen sind laut ihnen Stromimporte, die allerdings aufgrund der Energiespitzen der Nachbarstaaten, wie etwa Frankreich im Sommer 2023, im Gesamtumfang zurückgehen werden. Daneben sehen sie den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken über die bisher geplanten Fristen, als potenzielle Möglichkeit, die Energiesicherheit zu gewährleisten, da diese in Engpasssituationen einspringen können. Weitaus realistischer sei aber der Bau neuer Wasserstoff- und Gaskraftwerke.
Letzten Endes sind die möglichen Drosselungen eine Drehschraube, mit der das Gelingen der Wärmewende ermöglicht werden kann. Für etwaige Hiobsbotschaften, wie sie teilweise schon verbreitet werden, eignet sich diese Entscheidung kaum. Dafür sind die Eingriffe dann doch zu gering, die Anzahl der Betroffenen zu klein. Allerdings werden sie alleine kaum ausreichen, sondern müssen mit anderen Regelungen kombiniert werden. Also bedeuten diese Maßnahmen weder der Untergang der Stromstabilität, noch den ganz großen Wurf in Richtung Versorgungssicherheit. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Schritt die Verbraucher aber nicht weiter verunsichert, denn das Vertrauen in Wärmewende wurde etwa durch das Gebäudeenergiegesetz schon genug untergraben. Denn dafür ist das Thema Energiewende zu wichtig.