The Witcher Staffel 3 Vol. 1 zeigt: Die Serie verliert ihre Magie

The Witcher Staffel 3 Vol. 1 zeigt: Die Serie verliert ihre Magie

The Witcher Staffel 3 Vol. 1 zeigt: Die Serie verliert ihre Magie

The Witcher Staffel 3 Vol. 1 steht an einem interessanten Scheideweg. Die Netflix-Fantasyserie wird mit dem Ende dieser Staffel den Hauptdarsteller Henry Cavill verlieren, der seit Beginn der Serie Geralt von Riva gespielt hat. Die Reaktionen auf die letzten beiden Teile des Netflix-Witcher-Verse – Staffel 2 und das Prequel-Spin-off The Witcher: Blood Origin – waren ausgesprochen gemischt. Auch ich muss zugeben, dass mich die Serie schon lange nicht mehr so sehr reizt, wie es noch vor Beginn der ersten Staffel der Fall war. 

Staffel 3 steht also unter doppeltem Druck: Cavill muss einen würdigen Abschied finden und gleichzeitig die Netflix-Serie auf eine erfolgversprechende Zukunft vorbereiten. 

Basierend auf dem ersten Vol. 3, das fünf Episoden umfasst und am 29. Juni startet, klebt The Witcher Staffel 3 nur an einem dieser Punkte fest. Sie gibt Cavills Geralt einen größeren, umfangreicheren und emotionalen Handlungsbogen, der der titelgebenden Figur aus Andrezj Sapkowskis Buchreihe gerecht wird. Es gibt noch weitere spannende Handlungsstränge – vor allem solche, die direkt aus Sapkowskis Romanen stammen – die langjährige Witcher-Fans begeistern könnten. Allerdings leidet The Witcher Staffel 3 unter den gleichen eklatanten Fehlern wie seine Vorgänger, die das Tempo beeinträchtigen und regelmäßig frustrieren.

The Witcher Staffel 3 beginnt mit Geralt und Yennefer (Anya Chalotra), die versuchen, Ciri (Freya Allen) vor denen zu schützen, die ihre Fähigkeiten für ruchlose Zwecke nutzen wollen. Das Trio hat Monate damit verbracht, ständig umherzuziehen, um Ciri vor neugierigen Blicken zu schützen. Doch unweigerlich werden sie entdeckt und die Gruppe muss sich einen neuen Unterschlupf suchen.

Da sie es leid sind, ständig unterwegs zu sein, beschließt das Trio, in Aretuza Zuflucht zu suchen, der durch Magie geschützten Festung, in der Yennefer zur Magierin ausgebildet wurde. Was sie jedoch nicht wissen, ist, dass Aretuza zu einem Schlangennest aus politischer Intrige, Korruption, dunkler Magie und Betrug verkommen ist. Der Kampf um Ciri und ihre auf Elfenblut basierenden Kräfte hat begonnen und wenn die Gruppe überleben will, muss sie sich voll und ganz auf die anderen verlassen.

The Witcher profitiert sofort von dieser neu gegründeten Ersatzfamilie. Staffel 2 gab einen kurzen Einblick, wie die Persönlichkeiten, Weltanschauungen und Fähigkeiten des Trios zusammenarbeiten oder aufeinanderprallen würden, wenn sie auf Dauer zusammenbleiben müssten. Und nach dem Finale von Staffel 2 konnte man durchaus gespannt sein, wie sie sich künftig emotional weiter annähern würden. 

Die aufkeimende mütterliche Bindung zwischen Yennefer und Ciri bringt ein eigenes Stück familiäres Drama und Leichtigkeit in den Vordergrund. Auch Ciri spielt eine größere Rolle, da ihre Bedeutung für die Geschichte immer weiter zunimmt. Ihre Entwicklung ist jedoch von innerer Zerrissenheit geprägt, da die Erwartungen an ihre weltrettenden (oder weltvernichtenden) Fähigkeiten ihren emotionalen Tribut fordern.

Auch die Vater-Tochter-Beziehung von Geralt und Ciri wird mit einer Prise Unbeschwertheit und erzieherischer Intimität aufgepeppt – eine willkommene Aufwertung ihrer archetypischen Beziehung zwischen Beschützer und Schützling. Das verleiht Geralt eine ganz neue Art der Verletzlichkeit und gibt Cavill die Möglichkeit, ihn zu einem dreidimensionalen Charakter umzugestalten. Er ist nicht länger ein ruppiger Monsterkiller, sondern eine fürsorgliche, toughe Vaterfigur mit faszinierenden Facetten.

Die Spannungen zwischen dem Trio, insbesondere zwischen Geralt und Yennefer, schwelen jedoch weiter. Ciris idealistische und rebellische Art droht auch die Versuche der beiden, sie zu beschützen, zu untergraben und belastet ihre aufkeimende Beziehung zu Yennefer. Diese Spannungen verleihen der Gruppendynamik ein angenehmes Maß an Dramatik und sorgen dafür, dass die Frustrationen, wenn sie ausbrechen und verbale Konfrontationen entfachen, feurig und stürmisch sind.

Deshalb ist es ärgerlich, dass die Gruppe in bereits nach der ersten Episode getrennt wird. Das macht die Sache auch aus der Buddy-Cop-Perspektive interessant: Yennefer und Ciri brechen nach Aretuza auf, während Geralt sich mit Jaskier (Joey Batey) – der in dieser Staffel ebenfalls etwas mehr zu tun bekommt – für eine wichtige Nebenmission wieder trifft. Die Wiedervereinigung der beiden im weiteren Verlauf der Staffel könnte diesen Kritikpunkt überflüssig erscheinen lassen. 

Dennoch klingen ihre Wiedervereinigung am Ende von Staffel 2 und die anschließenden Reisen hier etwas hohl, wenn sie direkt wieder getrennt werden. The Witcher lebt davon, dass seine Hauptdarsteller zusammenarbeiten, sich aufziehen und gemeinsam kämpfen (oder gegeneinander). Nachdem man so lange darauf gewartet hat, Geralt und Co. zusammen auf dem Bildschirm zu sehen, ist es eine große Enttäuschung, dass es so plötzlich vorbei ist.

Da die Jagd nach Ciri in vollem Gange ist, sollte Staffel 3 jede Menge Spannung, politisch brisante Nebenhandlungen und kriegerische Fraktionen bieten, die es zu nutzen und auszubauen gilt.

Leider wirkt sie aus erzählerischer Sicht jedoch ziemlich lustlos, da die Story mit erschreckender Regelmäßigkeit zwischen den Nationen, Charakteren und Handlungssträngen hin und her springt. Das ist zwar notwendig, um die Zuschauer an die verschiedenen Handlungsstränge zu binden, aber es lässt wenig Raum, um neue Charaktere wie Prinz Radovid von Redanien (Hugh Skinner) und Weltregionen wie Shaerrawedd vollständig zu etablieren.

Das bedeutet auch, dass wichtige Personen und ihre jeweiligen Königreiche, wie Kaiser Emhyr (Bart Edwards) von Nilfgaard sowie Sijmund Dijkstra (Graham McTavish) und Philippa Eilhart (Cassie Clare) von Redanien nicht ihr volles Potenzial entfalten. Sie spielen eine Schlüsselrolle in der gesamten Story der Serie, aber ihre Einbindung und ihre Nebengeschichten sind erst in der spannenden letzten Episode von Vol. 1 interessant (dazu später mehr). Wie viele bereits an den vorigen Staffeln kritisiert haben, wirkt Netflix’ Live-Action Witcher-Verse wie eine abgespeckte Version von Game of Thrones. Den politischen Machenschaften und dem Verrat der Charaktere fehlt die Spannung und die emotionsgeladene Gravitas von HBOs TV-Phänomen. 

The Witcher Staffel 3 leidet unter ähnlich dünnen Charakterisierungen und schlampige Writing. Der meiste Humor trifft nicht den Nerv der Zeit, während die Vorliebe für Plot-Armor – Geralt rettet beispielsweise Ciri in Folge 3 vor der gespenstischen Wilden Jagd – frustrierend offensichtlich ist. Hinzu kommen völlig überflüssige Nebenhandlungen wie Fringillas (Mimi Ndiweni) Ausbruch aus dem nilfgärdischen Gefängnis, und auch sonst gibt es einiges an überflüssigem Plot zu bewältigen.

Dennoch hat die dritte Staffel von The Witcher auch einige positive Punkte: Es gibt mehrere Handlungsstränge, Charakterentwicklungen und thematische Fäden. Die neuesten Episoden halten sich enger an die Buchvorlage “Die Zeit der Verachtung” als sich die Vorgänger an ihre hielten. Einige Handlungs- und Charakterbögen sind direkt aus dem Roman entnommen und werden hier insgesamt gut umgesetzt. Das Hinzufügen wichtiger Informationen, z. B. dass Geralt Ciri etwas über die Rosen von Aelirenn beibringt, trägt ebenfalls dazu bei, das Universum weiter auszubauen und Ciris wachsende Bedeutung für die übergreifende Geschichte zu festigen. Zuschauer, die sich zuvor über Netflix’ kreative Abweichungen von Sapkowskis Werken aufgeregt haben, werden durch diese Kurskorrekturen also vielleicht besänftigt.

Und so oberflächlich die Politik in Staffel 3 auch ist, es ist faszinierend zu sehen, wie sich die schachbrettartigen Fraktionen des Kontinents in Position bringen, bevor sie um Ciri spielen. Die zerbrechlichen, unbehaglichen Allianzen zwischen den Königreichen und sogar zwischen den Charakteren der einzelnen Reiche sind fesselnd zu sehen. Oft ist nicht immer ganz klar, wem man glauben oder auf welcher Seite man stehen sollte. Eingefleischte Witcher-Fans, die Sapkowskis Bücher in- und auswendig kennen, werden sich jedoch nicht so leicht in die Irre führen lassen.

All das führt zu einer wirklich fesselnden fünften Episode, einem grandiosen Spektakel, das mit Abstand der bisher beste Beitrag der Staffel ist (drei weitere Episoden folgen in Vol. 2 am 27. Juli). Ohne zu spoilern, aber was sich hier abspielt, ist eine willkommene Rückbesinnung an Stärken aus der ersten Staffel. 

Was in Folge 5 ebenfalls widerkehrt, ist die an Staffel 1 häufig kritisierte nichtlineare Erzählweise, die Neulinge definitiv verwirren konnte. Hier ist es jedoch eine angenehme kreative Abwechslung zur linearen Handlung von Staffel 2 und den ersten vier Folgen von Staffel 3. Die innovativ strukturierte Gliederung lässt die Szenen aus mehreren Perspektiven spielen, füllt die obligatorischen Lücken und baut die Spannung vor dem Höhepunkt (und dem Ende von Vol. 1) auf.

Die Action hier steht der Dramatik und der Fantasie in fast nichts nach. Die schön choreografierten Schwertkämpfe bieten eine willkommene und herrlich blutige Abwechslung zu den sich langsam entwickelnden diplomatischen und parteiischen Handlungssträngen. Allerdings muss auch gesagt werden, dass selbst die krönende Kampfsequenz sich, so schön sie auch aussehen mag, alles andere als wuchtig anfühlt. Und auch die Monsterkämpfe sind nicht besonders spektakulär und vermitteln das Gefühl, sie seien nur in der Staffel, weil sie eben vorkommen müssen. 

The Witcher Staffel 3 Vol. 1 ist eine klassische Zwickmühle, die Netflix in Vol. 2 und/oder Staffel 4 lösen muss. Auf der einen Seite ist es eine fesselnde High-Fantasy-Serie, die dem geliebten Ausgangsmaterial, auf dem sie basiert, zumindest etwas gerechter wird. Auf der anderen Seite wird die hartnäckige Weigerung, die aufdringlichen Probleme zu beheben, wie z. B. faules Writing, seltsame Tonalitätswechsel und nachlässiger Szenenschnitt, die Serie weiterhin bremsen. 

Es gibt durchaus Dinge, die man mögen kann – zufriedenstellende Verbesserungen der Charakterbögen, mehr Treue zum Ursprungsmaterial, und natürlich das Wichtigste: Henry Cavill IST einfach Geralt von Riva. Aber eine Serie vom Ausmaß eines so reichhaltigen Universums muss sich deutlich mehr zum Ziel setzen, als nur “zufriedenstellend” zu sein. 

The Witcher Staffel 3 Vol. 1 zeigt einmal mehr, wie schwer es für Liam Hemsworth werden wird, in die gewaltigen Fußstapfen des Mannes zu treten, der für viele – mich eingeschlossen – der einzige wirkliche USP der Serie ist. Wenn es nicht gelingt, die Fehler in den folgenden Episoden zu korrigieren, laufen die Showrunnerin Lauren Hissrich und ihr Team Gefahr, selbst die treuesten Fans noch zu verlieren. Da bleibt nur zu hoffen, dass die Staffel das Ruder noch herumgerissen bekommt, wenn sie am 27. Juli weitergeht. Diese Hoffnung ist bei mir aber zugegebener Maßen nicht allzu hoch. 

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