Das Gaming-Jahr 2023 ist wirklich der Wahnsinn. Ich hatte erst einen Bruchteil der gewaltigen Open-World von Tears of the Kingdom erkundet, da lag auch schon Final Fantasy XVI auf meinem Tisch und versprach ein weiteres Epos von 70+ Stunden. Die Trailer des neuesten Spiels von Square Enix zeugten zudem von einem sehr viel erwachseneren Setting, das die pubertäre Weirdness zu 99 % über Bord warf und durch eine düstere High-Fantasy-Welt im Geiste von Game of Thrones oder The Witcher ersetzte. Da Final Fantasy ohnehin bereits für seine starke Narrative und imposante Inszenierung bekannt ist, war ich wirklich gespannt, mich in diese Neuausrichtung der Reihe zu stürzen.
Neben dem Setting gibt es aber noch eine zweite gewaltige Neuheit. Klassische rundenbasierte Kämpfe hatte es in der Reihe schon lange nicht mehr gegeben. FFXIII mischte das altbewährte System mit Echtzeitkomponenten, XV hatte trotz seiner Möglichkeit, das Geschehen zu pausieren, nur noch wenig mit den Ursprüngen zu tun, und VII Remake drehte den Spieß herum und mischte Echtzeit mit Elementen aus rundenbasierten Kämpfen.
Final Fantasy XVI, der serientypisch wieder eine eigene Story erzählt, verabschiedete sich nun gänzlich von seinen Wurzeln und versucht sich an schneller Action in feinster Devil May Cry-Manier. Wie ich bereits in meinem Eindruck zur Preview von vor einigen Wochen schrieb, schnetzelst du dich hier mit Nahkampf- und Magieangriffen durch die Gegnermassen und nimmst Heiltränke schnell und einfach per Knopfdruck. Weichst du Angriffen im richtigen Moment aus oder parierst sie, verlangsamst du sogar kurz die Zeit.
Das ist selbst bei größeren Bestien möglich und du solltest dieses Element auch nutzen, um damit den neuen Willenskraftbalken stärkerer Gegner zu leeren. Ist der nämlich erstmal im Keller, liegt der Feind für einige Zeit reglos am Boden und nimmt deutlich mehr Schaden. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, sich die Kämpfe durch gewisse Ausrüstungsgegenstände zu erleichtern, die etwa das Zeitfenster beim Ausweichen vergrößern.
Den ATB-Balken oder die klassischen Zauber wie Feura und Vitra gibt es hingegen nicht mehr. Stattdessen haben die mächtigen Esper-Zauber nun eine Abklingzeit, die sich durch bestimmte Ausrüstungsgegenstände verkürzen lässt. So gibt es auch wieder einige RGP-Elemente, etwa durch das geringfügige Anpassen deiner Ausrüstung oder die Möglichkeit, neue Zauber aus mehreren kleinen Skilltrees zu lernen und diese mit Erfahrungspunkten aufzuwerten.
Allerdings – und hier komme ich zu den meiner Meinung nach großen Schwächen des Kampfsystems – habe ich den taktischen Ansatz sehr vermisst. Ein Schere-Stein-Papier-Prinzip, bei dem Feuerangriffe etwa besonders effektiv gegen Eisgegner sind, gibt es nämlich nicht mehr. Gerade in den ersten schätzungsweise acht Spielstunden steht dir lediglich die Feuermagie zur Verfügung. Und da es pro Zauberklasse – neben einer spezifischen Fähigkeit – stets vier Zauber gibt, von denen sich auch nur zwei ausrüsten lassen, kann es schnell zu reinem Button Mashing kommen. Immerhin ist es völlig egal, was du auf deine Gegner abfeuerst. Der einzige Unterschied besteht darin, dass manche Zauber mehr Schaden verursachen, während sich andere mehr dazu eignen, den Willen des Gegners zu brechen.
Dabei wäre dieser Umstand leicht zu lösen gewesen. Denn natürlich bist du die meiste Zeit wieder einmal nicht allein unterwegs und hast je nach Spielabschnitt bis zu drei Begleiter an deiner Seite. Bis auf deinen treuen Hund Torgal kannst du denen aber keinerlei Anweisungen geben und ihre einzige Aufgabe scheint es zu sein, Gegnergruppen zu zerstreuen, damit dir niemand in den Rücken fällt. In dieser Hinsicht sind sie wiederum sehr nützlich, da sie sich eigenständig auf dem Schlachtfeld verteilen und glücklicherweise nicht sterben können. Ich finde aber, dass hier eine große Chance vertan wurde, den Kämpfen mehr Tiefe zu verleihen, weil es dadurch ziemlich egal ist, wen du in deiner Gruppe dabeihast.
So flach das Kampfsystem damit aber auch bleibt, so fulminant sind die einzelnen Attacken und insbesondere die wahnsinnig beeindruckenden Esper-Kämpfe animiert. Ob es die miteinander verketteten einfachen Angriffe oder die stärksten Zauber sind, hier sieht alles verdammt mächtig aus. Und so klingt es auch. Wenn ein Flächenangriff die Gegnermassen zersprengt und dein Charakter dabei brüllt, als käme er direkt aus Dragon Ball, dann fühlt sich das einfach befriedigend an.
Dabei konnten aber selbst im Performance-Modus mit einer nativen Auflösung von 1080p, die auf 1440p hochskaliert wird, die 60 Frames nicht immer zuverlässig gehalten werden. Vor allem beim Erkunden der offeneren Gebiete merkte ich einen Abfall der Bildrate. Der Qualitätsmodus, der von 1440p auf 4K hochskaliert wird, soll dagegen stabile 30 garantieren. Patches könnten hier noch einiges verbessern, ich muss aber sagen, dass ich mit dem Performance-Modus trotzdem sehr zufrieden war.
Außerdem besticht FFXVI technisch noch durch weit mehr Punkte. Ich habe etwa in meiner gesamten Spielzeit so gut wie nie zweimal denselben NPC irgendwo herumstehen sehen. Zwar haben diese mit Gesten wie das Arme Verschränken nur eine gewissen Anzahl von Animationen, deren Formelhaftigkeit sich gerade dann zeigt, wenn mehrere Figuren miteinander sprechen.
Dafür weiß das Spiel aber auch optisch sehr zu überzeugen. Schau dir doch nur mal die Struktur des Leders hier an. Andererseits scheint das Wasser wiederum einfach durch Clives Fuß hindurchzufließen, da ist man im Jahr 2023 schon weit besseres gewohnt. Wer aber auf Details wie Schweißperlen oder zarte Fältchen an den Augen achtet, wird, bis auf einige Ausnahmen wie unschöne Oberflächen oder starre Gesichter, jede Menge davon finden. Vor allem an den Cutscenes, die übrigens unabhängig vom Modus auf 30 Frames beschränkt sind, merkt man, dass stark versucht wurde, In-Game-Grafik und Cinematics aneinander anzugleichen. Nichts desto trotz sehen letztere wieder Final Fantasy-typisch wunderschön aus.
Doch egal wie schön die Welt von FFXVI auch inszeniert wird, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, wie düster, erbarmungslos und völlig anders als andere Final Fantasy-Welten sie ist – und ich liebe es. Versteh mich nicht falsch. Ich mochte auch andere Serienableger wie FFX und insbesondere das Remake von FFVII. Allem voran bin ich aber ein Fan von erwachsenen Geschichten, die sich trauen, auch die dreckigen Seiten der Medaille zu zeigen. Und davon gibt es hier mehr als genug.
Die Völker von Valisthea gründeten ihre Reiche jeweils um einen der fünf gewaltigen Mutterkristalle und nutzen deren Magie für ein Leben in Überfluss. Da die meisten Menschen Magie nur mithilfe der dort abgebauten Kristalle nutzen können, sind diese ein wertvolles Gut, um etwa ihre Schmiedefeuer zu schüren oder ihre Brunnen mit Wasser zu füllen.
Sogenannte Träger können Magie hingegen von Geburt an auch ohne Kristall wirken. Von den meisten Menschen werden sie allerdings für diese „Abnormität“ verabscheut und gebrandmarkt. Für sie sind Träger nur bloße Werkzeuge. Dass sie nur begrenzte magische Reserven haben, bevor der Äther aus ihren Körpern aufgebraucht ist und sie sich langsam und schmerzvoll in Stein verwandeln, kümmert ihre Sklavenhalter nicht.
Protagonist Clive Rosfield wuchs jedoch im Großherzogtum Rosaria auf, wo sein Vater, der Herzog, sich schon lange für die Rechte der Träger einsetzt. Clive weiß selbst Magie zu wirken und hat sich dem Schutz seines jüngeren Bruders Joshua verschrieben, dem als Dominus der Feuer-Esper Phönix die Thronfolge in Rosaria gebührt. Als aber Krieg aufzieht und sich zu allem Überfluss auch die Fäule auf den beiden Kontinenten ausbreitet, die nichts hinterlässt als karges, totes Ödland, folgt eine Tragödie auf die nächste.
Es hat einen Grund, warum ich das formuliere, als würde ich selbst einen Roman verfassen. Denn genau wie bei meinen eingangs erwähnten Beispielen, entfaltet sich auch die Welt von Final Fantasy XVI, ähnlich einem guten Buch, Stück für Stück und ist damit die meiner Meinung nach größte Stärke des Spiels. Neben Kriegen, der Fäule und dem traurigen Schicksal der Träger gibt es aber auch religiöse Fanatiker, Barbarenstämme, Monster und viele weitere Dinge, die das Leben in Valisthea alles andere als angenehm machen.
Das macht die Welt aber dafür umso greifbarer. Ich habe im Laufe meiner über 70 Stunden Spielzeit gemerkt, wie ich immer tiefer eingetaucht bin, die politischen Intrigen verstanden, und mich mehr und mehr mit den Schicksalen der Figuren verbunden gefühlt habe. Dass es hier und da Plot Holes und Unstimmigkeiten gibt oder die Leute ständig ihre Blutverschmierten Schwerter zurück in die Scheide stecken – ernsthaft, der Blutverbrauch hier hat mich teilweise an Dragon Age 2 erinnert –, störte mich wenig.
Dafür setzt FFXVI die goldene Regel des Story-Telling, „show, don’t tell“, einfach zu gut um. Das bedeutet, das Spiel erklärt mir nicht einfach in einer langatmigen Introsequenz, dass hier z. B. ausschließlich Domini die Macht haben, ihre Esper zu beschwören. Stattdessen bekomme ich diese Dinge gezeigt und verstehe so ganz automatisch die Grundlagen der Welt. Trotzdem werden aber auch einige Dinge offengelassen, wodurch genug Raum für meine eigene Fantasie bleibt.
In einer Hinsicht muss ich aber definitiv meckern. Nach offiziellen Angaben dauert allein die Hauptstory bereits rund 35 Stunden, was sich mit allen Nebenaufgaben bei mir auf etwa das Doppelte belief. Auf dem Papier gibt es, wenn ich mich recht erinnere, drei verschiedene Arten von Nebenquests, mit denen ich also die weiteren 35 Stunden verbracht habe. Diese Unterteilung ist aber völlig egal, da jede dieser Missionen immer in etwa nach diesem Schema abläuft: Sprich mit einer Person X. Die schickt dich meistens noch zu einer Person Y, dann erledigst du ein paar Gegner oder eben einen besonders harten. Anschließend sprichst du nochmal mit Y bzw. am Ende mit X und du bekommst eine Belohnung. Spannend, nicht wahr?
Jetzt mag FFXVI kein The Witcher 3 sein, aber dennoch hätte ich mir da etwas mehr Abwechslung erhofft. Es kam nicht selten vor, dass mir ein lauter Seufzer entwich, wenn ich in das Hub-Areal zurückkehrte und auf meiner Map neue Nebenquestsymbole auftauchten. Dazu kommt, dass die einzelnen erkundbaren Gebiete zwar hübsch aussehen, selten aber mehr als die üblichen Wald-, Wüsten- oder Ödlandschaften bieten.
Aber – und das ist ein großes Aber – dafür erhältst du nicht nur meistens nützliche Belohnungen wie Taschenvergrößerungen oder wirksameren Heiltränke. Du erfährst auch stets etwas mehr über die Welt. Ich kann mich an unzählige Nebenaufgaben erinnern, die Gameplay-seitig wirklich öde waren, die Figuren aber immer mehr zu echten Menschen mit echten Problemen und Geschichten werden ließen. So gab es recht spät im Spiel eine Quest, die mir etwa mehr über eine wichtige Figur erzählte, die bereits viele Stunden zuvor gestorben war. Hierdurch, weil mir gezeigt wurde, was diese Person den Menschen bedeutet hat, bekam deren Tod aber deutlich mehr Gewicht und entlockte mir sogar ein Tränchen. Daher musste ich vielleicht häufig seufzen, war aber jedes Mal froh, mich für die nächste Quest aufgerafft zu haben.
Ein Faktor, der das noch verstärkt, ist die wirklich fabelhafte deutsche Synchro. Sprecher wie Torsten Michaelis, Tilo Schmitz, Maria Koschny und nicht zu vergessen Vincent Fallow als Clive machen einen hervorragenden Job und hauchen jeder der unzähligen Figuren echtes Leben ein – ganz zu schweigen davon, dass sich auch Ingo Meß in das Spiel reingemogelt hat. Gerade Clives Stimme hat mich durchweg überzeugt, und das nicht nur indem er sie sich aus dem Leib brüllte. Mir ist insbesondere eine emotionale und zugleich erstaunlich unkitschige Szene im Kopf geblieben, in denen er seine Worte fast schon hauchte und sich spätestens damit für mich wie ein richtiger Mensch anfühlte.
Bei all diesen positiven Punkten, die ich über die Story und das Welt zu sagen habe – und ich hätte noch sehr viel mehr zu sagen – schmerzt es mich leider umso mehr, dass FFXVI in meinen Augen leider kein zufriedenstellender Abschluss gelingt. Keine Sorge, ich erzähle natürlich nicht, was passiert. Aber nachdem ich über 70 Stunden mit diesem Spiel verbracht, mit den Figuren mitgefiebert, geweint, sie lieben gelernt und für eine Welt gekämpft habe, in der die Menschen frei sein können, hätte ich mir gewünscht, auch etwas von den Konsequenzen meines Tuns zu sehen. So hat mich das Ende aber schmerzlich an Mass Effect 3 erinnert.
Und das ist wirklich schade, denn einige der Cutscenes im Spielverlauf dauerten 15 Minuten oder länger. Nach all den Strapazen und Opfern, die die Figuren bringen mussten, wäre es da zu viel verlangt gewesen, ihnen einen etwas ausschweifenderen Ausklang zu gönnen? Erinnere dich doch nur mal an die nicht enden wollende Sequenz von Der Herr der Ringe 3, nachdem der Ring zerstört ist.
Schließlich saß ich also vor dem Fernseher und war zwiegespalten. Einerseits hatte ich meine Probleme mit dem Kampfsystem, das statt taktischer Tiefe eher stumpfes, aber toll inszeniertes Draufhauen bot. Andererseits konnte ich mich in dieser Welt wirklich verlieren. Immerhin behandelt das Spiel neben seinen politischen Verstrickungen auch komplexe Themen wie Rassismus, freier Wille oder den Preis für ein bequemes Leben. Ich genoss es, im Journal Hintergrundinfos zu den Figuren, Orten oder der Geschichte nachzulesen. Und noch mehr gefiel mir die Möglichkeit, in einer Art stetig wachsendem Figurendiagramm die Verbindungen und Entwicklungen der zahllosen Schicksale nachzuverfolgen.
Doch trotz all dessen blieb bei mir, als die Credits über den Bildschirm flimmerten, der fade Nachgeschmack des „das wars?“ zurück. Allerdings ändert das nichts daran, dass ich immer wieder über das Ende nachdenke und ich mich am liebsten direkt nochmal in diese Welt stürzen würde. Mit dem besonders schweren Final Fantasy-Modus gibt es sogar ein New Game+. Und dass ich trotz der großen Schwächen so denke, zeigt eindeutig, wie viel Spaß ich mit dem Spiel hatte. Final Fantasy XVI ist bei weitem keine makellose, aber eine wirklich gelungene Neuausrichtung der Reihe und ich für meinen Teil bin sehr gespannt, wo die Reise noch hingeht.